Cafe Palestine Freiburg e.V. ist ein politisch- kulturelles Forum, das über die Situation im Nahen Osten berichten, persönliche Schicksale vorstellen und namhafte Referenten zum Thema einladen möchte. Die kulturelle Vielfalt Palästinas soll durch kleine Konzerte, palästinensische Folklore, Literatur und Kunst gezeigt werden.

Mittwoch, 19. Januar 2011

WENN DAS MEER NICHT WÄRE von VERA MACHT 19.1.11

Wenn das Meer nicht wäre.


„Wie hast du deinen Urlaub verbracht?“, ist hier in Gaza eine etwas taktlose Frage. Wie soll man ihn schon verbracht haben, hier auf den 40 mal fünf Kilometern, in denen eineinhalb Millionen Menschen auf dem dichtbesiedelsten Landstrich dieser Erde eingepfercht sind, ohne jegliche Möglichkeit diesen zu verlassen. Hier gibt es kaum eine Möglichkeit, seinen Urlaub zu verbringen. Urlaub ist daher eins der rarsten Gesprächsthemen in Gaza. Glücklich ist, wer überhaupt welchen hat, denn das bedeutet, dass man Arbeit hat, die genauso rar ist, bei einer Arbeitslosigkeit, die seit der Blockade des Gazastreifens bei 45% liegt. Wenn man also Urlaub hat, theoretisch, ist man nicht unbedingt erpicht darauf, sich diesen auch zu nehmen. Wo soll man denn auch hin? Den Streifen verlassen kann man sowieso nicht, und hier in Gaza gibt es keinen Ort, der nicht überfüllt ist mit Menschen, mit Dreck und Lärm. Dass man das Thema Urlaub besser nicht erwähnt, lernt man schnell, hier in Gaza.

Aber Gaza liegt am Meer. Und wenn das Meer nicht wäre, gäbe es keinen Ort, an den man an einem freien Tag oder einem Sommerabend mit seiner Familie oder Freunden gehen könnte. Aber da es das Meer gibt, kann man einen Pichnickkorb packen, den Grill, im Sommer die Badesachen, und man kann sich einen Moment vorstellen, das Leben wäre normal und frei, ohne täglichen Terror, und man verbringt einen Tag am Meer, als ob man alle Möglichkeiten hätte.

Man sollte sich jedoch keine Illusionen darüber machen, dass der Strand des Gazastreifens ein schöner Ort wäre. Knapp 40 Kilometer Strand hat Gaza, wo eineinhalb Millionen Menschen eingesperrt leben. Und sie alle beschließen, von Zeit zu Zeit, so zu tun als ob sie frei wären, alle Möglichkeiten hätten und nichts lieber tun würden, als einen Tag am Strand zu verbringen, mit ihrer Familie oder ihren Freunden, und grillen, vielleicht. Oder sich an einem Winternachmittag in warme Jacken zu hüllen, sich von Wellen und Seeluft umgeben lassen, um dem Lärm der Generatoren zu entfliehen.

Der Strand ist somit, wie der Rest von Gaza, überfüllt. Er ist dreckig und er ist laut. Auch ins Wasser geht man lieber nicht hinein, da die nötigen Dinge, die man für Kläranlagen braucht, von Israel zu möglichen Terrorobjekten erklärt wurden, und deren Einfuhr deshalb verboten ist. Millionen von Litern Abwasser fließen deshalb täglich in Gazas Meer. Aber da ist das Meer. Wenn das Meer nicht wäre.

Man sollte sich auch keine Illusionen darüber machen, dass die Menschen Gazas am Strand sicher wären, dass ihr Leben dort weniger in Gefahr wäre als an jedem anderen Ort des Gazastreifens, zu jedem anderen Zeitpunkt.

Im Jahre 2006 verbrachte die 11jährige Huda Ghalia mit ihrer Familie einen Nachmittag in der vermeintlichen Idylle, bei einem Picknick. Wofür auch immer diese Familie mit einer Decke voller Essen und spielenden Kindern von israelischen Soldaten gehalten wurde, der Strand wurde von einem Kriegsschiff mit acht Artilleriekugeln getroffen, die nahe der Familie explodierten. Huda Ghalia war die einzige Überlebende , alle anderen neun Familienmitglieder starben, mehr als 30 weitere Menschen in der Nähe wurden verletzt. Eines der schlimmsten Verbrechen, das an Gaza´s Strand jemals verübt wurde, aber bestimmt nicht das einzige. All dies hat man durchaus im Hinterkopf, wenn man dort sitzt, die Füße im Sand.

Aber sicher ist man in Gaza nirgendwo, und somit hält das die Menschen bestimmt nicht davon ab, zum Meer zu gehen und zu versuchen den Terror zu vergessen, für einen Tag oder zumindest ein paar Stunden.

Was das Meer Gaza´s so bedeuted macht, ist nicht wirklich die Tatsache, dass es die enzige Möglichkeit zur Erholung bietet. Das Meer Gaza´s ist die einzige Möglichkeit, die die Menschen zum Träumen haben. Das weiß jeder, der schon einmal abends dort am Strand saß, die Sonne blutrot im Wasser untergehen sah und auf einmal wieder wusste, dass es Schönheit gibt auf dieser Welt.

Wenn man dort sitzt, und aufs Meer hinausblickt, und die kleinen hölzernen Fischerboote nahe am Strand sieht und weiter draußen Lichter auf dem Meer, dann denkt man nicht daran, dass diese Lichter von israelischen Kriegsschiffen stammen. Dann denkt man nicht daran, dass man diese kleinen Fischerboote deshalb so gut sieht, weil sie nicht weiter hinausfahren können, ohne in Gefahr zu geraten, von den Soldaten auf den israelischen Kriegsschiffen erschossen zu werden, und dass sie nicht näher zum Strand kommen können, ohne ihren Lebensunterhalt vollends zu verlieren. Man denkt nicht an das bilaterale Osloabkommen, bei dem den Fischern Gazas 20 Seemeilen zugesprochen wurden, die später unilateral erst auf 6 und dann auf drei Seeemeilen beschränkt wurden. Man denkt nicht an die Familie, die man besucht hat und deren 19jähriger Sohn in einer Entfernung von 2,5 Seemeilen beim Fischen erschossen wurde. Nicht an die Fälle der letzten Zeit, bei denen Fischer auf dem Meer entführt wurden und in Handschellen auf dem nassen Boden ihres Bootes liegend in israelische Gefängnisse zum Verhör gebracht wurden. Dort sollten sie auf Fotos, die detailgetreu von Drohnen aufgenommen worden waren, ihr Haus zeigen und den Hafen beschreiben. Nach Tagen wurden sie zurück geschickt ohne ihr Boot und somit ohne Zukunft. Aber daran denkt man in diesem Moment nicht.

Nein, man sitzt am Strand und sieht der blutroten Sonne zu, wie sie im Meer untergeht, und grüßt die in der Nähe stehenden Fischer, die man schon kennt. Die Fischer, die ihre Netze am Ufer ausgeworfen haben, oder die mit einer Angelrute dort stehen. Man freut sich mit ihnen, wenn sie etwas gefangen haben, denn das kommt nicht oft vor, und nun hat die Familie etwas zum Essen. Man hofft vielleicht, dass man sie nicht im Krankenhaus wieder sieht, nachdem ihnen von israelischen Soldaten ins Bein geschossen wurde, weil sie zu nah an der Grenze standen.

Aber eigentlich ist es viel zu schön, nur dort zu sitzen und ihnen zuzuschauen, wie sie ihre Netze auswerfen in der Abenddämmerung, während man den selbst im Winter leicht warmen Sand unter seinen Füßen spürt.

Warum das Meer so besonders ist, hier in Gaza, liegt vielleicht noch nicht einmal daran, dass man, wenn man dort sitzt und den brechenden Wellen zusieht, an die Schönheit dieser Welt erinnert wird. Das Besondere an Gazas Meer ist, dass man den Horizont sehen kann. Den Horizont, der einen an das Gefühl von Freiheit erinnert, das man hier schon fast vergessen hat. Das die jungen Menschen Gazas gar nicht mehr zu hoffen wagen jemals zu haben, weil sie es nie gekannt haben.

Dort am Meer sieht man keine Grenzen, keine Mauern und keine Schießtürme, wie in jeder anderen Himmelsrichtung, sondern nur unendliche Weite. Man hat das Gefühl, endlich wieder atmen zu können, anstatt in der Enge und Überfülltheit langsam zu ersticken, und sieht, dass die Welt mehr ist als ein kleiner Streifen von Terror, Gewalt und Angst. Nein, wenn man dort sitzt und den Horizont sieht, dann fängt man wieder an, von Freiheit zu träumen. Dann kann man sich vorstellen, wie ein

Vogel über dieses unendliche Wasser zu fliegen, zu fernen Ländern die man vielleicht nie sehen können wird, aber man kann daran glauben, in diesem Moment.

Dass die Menschen Gazas noch träumen können, zeigt dieser wunderschöne Text einer jungen Palästinenserin, zu finden unter http://fidaa.me/?p=136

Vera Macht lebt und arbeitet seit April 2010 in Gaza. Sie ist Friedensaktivistin und berichtet über den täglichen Überlebenskampf der Menschen im Gazastreifen (Vera.Macht@uni-jena.de)

IF THERE WASN´T THE SEA by VERA MACHT 19.1.11

If there wasn’t the sea. "How did you spend your vacations?" In Gaza this is a somewhat tactless question. How should it be spent, here in the 40 by five kilometers where one and a half million people are cooped up on the most densely populated strip of land on earth, without any possibility to leave. Here are not many ways to spend your vacation. Vacations are thus one of the rarest topics of discussion here in Gaza. Lucky is the one who has some, because it means that he has work, which is rare as well, with unemployment reaching up to 45% since the blockade. So if you have vacations, in theory, then it doesn’t mean you’re also keen on taking them, where should you go after all, you can’t leave anyway, and here in Gaza there is no place that is not crowded with people, with dirt, and with noise. So its better not to mention vacations, something you learn quickly here in Gaza.


But in Gaza there is the sea. And if there wasn’t the sea, then there would be no place you could go with your family, your friends, on a winter day or a summer evening. But there is the sea, so you can pack a picnic basket, or a barbecue or your swimsuit in the summer, imagining for a moment that your life is normal and free, without daily terror, poverty, or so many lost dreams for the future. You can spend a day at the sea as if you had a normal life of hope, comfort, dignity and pleasure.

However, you should not cherish the illusion that the beach of Gaza would be a nice place. There are about 40 kilometers of beach in Gaza, for one and a half million people living locked up, which all decide, from time to time, that they are free, with all of the expectations of life, but would like nothing better than to spend a day at the beach with family and friends, a barbecue maybe. Or a winter afternoon, wrapped in a warm jacket, but surrounded by waves and sea air, and not by the noise of the generators. The beach is therefore not so much different from the rest of Gaza, it’s crowded, it’s dirty and it’s loud. And you’re reluctant to enter the water, because the things you need for sewage treatment plants have been declared possible terrorist objects by Israel, so their imports are prohibited. Which means millions of liters of sewage flow daily into Gaza’s sea. But there is the sea. If there wasn’t the sea.

You should also not cherish the illusion that the people of Gaza were safer on the beach, that their lives would be less in danger there than at any other place of Gaza, or at any other time. In 2006, the 11 year old Huda Ghalia and her family spent an afternoon there, having a picnic. Why ever a family with a blanket full of food and playing children was targeted by Israeli soldiers , they hit the beach from their war ship with eight artillery bombs that exploded close to the family. Huda Ghalia was the only survivor of her family, all the other nine people died and around over 30 were wounded. One of the worst crimes that happened at Gaza’s beach, but certainly not the only one. And that is on your mind when you sit there, your feet in the sand. But there are no safe places in Gaza, so this certainly doesn’t stop the people from going to the sea, any attempt to forget the terror, for a day, or at least for a few hours.

But what makes the sea of Gaza so significant is not really that it offers the only leisure activity. The sea of Gaza is the only option that people have to dream. Anyone who has ever sat there on the beach one evening, watching the blood red sun sinking down into the water knew once again that

there is beauty in this world. When you sit there and look out to the sea, and watch the small wooden fishing boats near to the beach, and farther out the lights on the sea, then you don’t think about the fact that these lights are from Israeli warships. Then you don’t think about the fact that you can watch these little fishing boats so well because they can’t go out further without getting in danger of being shot by the soldiers on these warships, and that they can’t get closer to the beach without losing their livelihood completely. You don’t think of the bilateral Oslo agreement in which the fishermen of Gaza were granted 20 nautical miles to fish in, or the fact it was unilaterally reduced to six, and since 2008 has been limited to only three nautical miles. Nor of the family you have visited, whose 19 year old son was shot at 2.5 nautical miles while fishing. Or of the many fishermen recently kidnapped at sea, forced to lie handcuffed on the wet floor of their boats and brought into Israeli prisons for interrogation. There they had to point at their house on photographs from Gaza, taken in detail by a drone, and describe the port. They were sent back after days without their boat, and thus without a future. But even that you can forget, for this moment.

You sit on the beach and watch the blood-red sun as it sets into the sea, and greet the fishermen around who already know you. The fishermen who have cast their nets on the shore, or are there with a fishing rod, and you can share their happiness when they’ve caught something, which is not very often, and now the family has something to eat. You hope, perhaps, that you won’t see them again in the hospital when they were shot in the leg by Israeli soldiers because they were standing too close to the border. But actually it's much too beautiful just to sit there and watch them, as they cast their nets at dusk, while you can feel slightly warm sand under your feet, even in winter.

But why the sea is so special, here in Gaza, is perhaps not even the feeling as you are sitting there watching the waves breaking, reminding you of the beauty of this world. The significance of the sea in Gaza is that you can see the horizon. The horizon, which recalls the feeling of freedom that you had almost forgotten here. Which the young people of Gaza don’t dare to hope ever to have because they have never known it. But there on the ocean unlike every other frontier, you see no borders, no walls and no gun towers, but infinite space. You have the feeling that you can finally breathe again, instead of suffocating slowly in this narrow and crowded place, and you realize that the world is more than a small strip of terror, violence and fear. Yes, when you sit there and see the horizon, you start once again to dream of freedom. In your thoughts, you fly then like a bird above this endless water to distant countries, which you perhaps will never see, but can imagine, in this moment.

That the people of Gaza still dream is manifested in this beautiful text of a young Palestinian woman, to be found at http://fidaa.me/?p=136

Vera Macht lives and works in Gaza since April 2010. She is a peace activist and reports about people´s daily struggle in Gaza (Vera.Macht@uni-jena.de)

AMJAD, DAS NÄCHSTE OPFER IN GAZA´S PUFFER-ZONE von VERA MACHT 19.1.11

Acht Tage hat es gedauert. Acht Tage seitdem der letzte Unschuldige hier gestorben ist. Man sieht die Menschen hier sterben, einen nach dem anderen, wie sie getötet werden, einer nach dem anderen, ohne Folgen, ohne Gerechtigkeit, ohne einen Aufschrei in den Medien. Unschuldige Menschen, die nie etwas anderes verbrochen haben, als zu versuchen sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zivilisten. Palästinensiche Zivilisten, deren Leben nicht mehr wert zu sein scheint als einen Eintrag in die Statistik. Und man fühlt sich als wären seine Hände gebunden. “Das ist es also was ich tun kann: Ich registriere sie in meinem Notebook. Es ist registriert, und dort ist eine leere Stelle nach Shaban’s Name. Für diejenigen, die sie morgen töten werden.“, so schrieb der amerikanische Journalist Max Ajl nachdem er 65-jährige Schäfer Shaban Karmout ermordet wurde. Acht Tage hat es gedauert, und die Stelle wurde gefüllt. Amjad ElZaaneen, 18 Jahre alt, starb heute. Zu jung, zu früh, zu sinnlos, zu viele Namen auf unseren Laptops. Amjad sammelte am 18.1.11, wie an jedem Morgen, Steine mit seinen drei Cousins und seinem Bruder. Der Jüngste von ihnen war elf. Fünf Jungs, Kinder, mit einem Pferd und einem Anhänger voller Steine, ungefähr 300 m von der Grenze zu Israel entfernt, und in der Nähe des Dorfes Bait Hanoun. Sie hatten ihren Karren gerade vollgeladen, als sie sahen, wie israelische Panzer und Bulldozer in das Land einbrachen, warum, wer weiß das schon. Sie rannten um ihr Leben, erfolgreich, sie kamen wohlbehalten zu Hause an. Doch das Pferd war schließlich noch da. Und die ganzen Steine, die sie mühsam gesammelt hatten, für die sie ihr Leben riskiert hatten, um für diesen Tag etwas Einkommen zu haben, und für den nächsten vielleicht auch. Wer weiß schon, ob die Situation dann nicht noch gefährlicher sein würde. Also gingen sie zurück, als sie dachten, dass sich die Lage beruhigt und sich die Panzer und Bulldozer von Gazas Land zurückgezogen hätten, nachdem sie es zum Hundertsten Mal plattgewalzt hatten, warum, wer weiß das schon. Doch als sie bei ihrem Pferd ankamen und es gerade wieder mit nach Hause mitnehmen wollten, feuerten israelische Soldaten eine Granate auf sie, und Sharaf Raafat Shada ,19 wurde in der Brust getroffen. Amjad, der nun älteste, versuchte ihn wegzuziehen, ihn auf den Karren zu legen, um ihn irgendwie ins Krankenhaus zu bringen, doch Sharaf war zu schwer für ihn. Also fasste Amjad den Entschluss, zu versuchen nach Bait Hanoun zu kommen, um irgendwie Hilfe zu holen. Er war nicht weit gekommen, als ihn eine Granate direkt in den Bauch traf und eine so große Wunde hinterließ, dass er innerhalb von Minuten verblutete.


Die Jugendlichen brachen in Panik aus und rannten los, um sich in Sicherheit zu bringen. Krankenwagen erreichten den Ort, und Anwohner, die versuchten sich, weiße Tücher schwingend, den Verletzten zu nähern. Ohne Erfolg. Viel zu lange dauerte es, bis die Verwundeten geborgen werden konnten. Ismael Abd Elqader ElZaaneen, 16 Jahre alt, liegt im Krankenhaus, mit Verbänden an fast jeder Stelle seines Körpers. „Wir rannten in alle Richtungen, und sie feuerten ungefähr zehn Artilleriegranaten auf uns. Ich bekam einen Splitter tief in meinen Rücken, und kleinere überall in meinen Körper. Aber ich bin trotzdem weitergerannt, bis ich die Hauptsraße von Bait Hanoun erreicht hatte.“ Selbst der verletze Sharaf schaffte es irgendwie, nach Bait Hanoun zu gelangen, ohne noch einmal getroffen zu

werden, und der elfjährige Oday Abdel Qader Elzaaneeen wurde durch einen Granatensplitter in seiner Wange nur leicht verletzt. Er steht im Krankenhaus und weint, sichtlich unter Schock, sein Cousin ist tot, und seine Brüder schwer verletzt. „Ich habe keine Ahnung, warum die Israelis dies getan haben“, sagt er leise. Er ist zu jung um hier zu stehen und zu weinen, er ist zu jung um zwischen Granaten um sein Leben zu rennen, er ist zu jung um heute seinen Cousin verloren zu haben. Und Amjad war zu jung, um heute zu sterben, durch eine Granate die seinen Bauch zerfetzt hat. Seine Mutter bricht im Krankenhaus zusammen. Selbst als sie wieder zu sich kommt bleibt sie liegen, die Augen geschlossen. Es kann keine Welt geben, in der ihr Sohn nicht mehr ist.

Der Onkel von Sharaf, der neben seinem Bett steht sagt: „Die Israelis begehen hier jeden Tag Verbrechen. Keiner von uns Zivilisten kann mehr sein Land betreten. In der letzten Zeit ist die Brutalität eskaliert, Bauern, Schäfer, Steinesammler, wir werden alle ermordet. Sie haben für niemanden Erbarmen, weder für alte Menschen noch für Kinder. Die Menschen da draußen müssen anfangen uns zu helfen, jeden Tag, jede Woche und jeden Monat haben wir neue Verletzte und Tote zu beklagen. Seit 1948 leiden wir, und es wird immer schlimmer. Wir bekommen von niemandem Unterstützung. Aber wir brauchen Hilfe. Alle Palästineser sind mögliche Angriffsziele. Alle von uns. Niemand ist davon ausgenommen, niemand ist sicher.”

Vera Macht lebt und arbeitet seit April 2010 in Gaza. Sie ist Friedensaktivistin und berichtet über den täglichen Überlebenskampf der Menschen im Gazastreifen (Vera.Macht@uni-jena.de)

AMJAD – THE NEXT VICTIM IN GAZA BUFFER ZONE by VERA MACHT 19.1.11

It took eight days. Eight days since the last innocent was killed. You watch people die here one after another, getting killed one by one, without consequences, without justice, without an outcry in the media. Innocent people who have never done anything wrong in their lives other than try to make a living from something amidst the stifling four year siege. Civilians. Palestinian civilians, whose life doesn’t seem to be worth more than an entry in the statistics. And you feel like your hands are tied. “So that’s what I can do: register it in my notebook. It is registered, and there is an empty line after Shaban’s name. That is for those who they kill tomorrow”, wrote the American writer Max Ajl after the farmer Shaban Karmout was killed. It took eight days, and the place was filled. Amjad ElZaaneen, was 17 years when he was killed today. Too young, too early, too meaningless, too many names in all of our laptops.


Amjad collected stones that morning, on the 01/18/2011, as on every morning, with his three cousins and his brother, the youngest of whom was eleven. Five boys, children, with a horse and a cart full of stones, about 300m from the border with Israel, and near to the village of Bait Hanoun. They had just loaded their cart full as they saw Israeli tanks and bulldozers coming to invade the land, why, who knows. A group of resistance fighters approached the area, including fighters from PFLP, the Communist Party, to fight them out again, to prevent them from again uprooting the land. A more symbolic act, the country was destroyed hundreds of times before, by tanks and bulldozers, one more time, what difference does it make. Amjad and the others ran for their lives, successfully, they arrived safely at home.

But the horse was still there, after all, and all the stones they had collected with difficulty, for which they had risked their lives to have some income that day, and for the next one maybe, who knows whether the situation then wouldn’t be even more dangerous. So they returned, as they thought the situation had calmed down, and the tanks and bulldozers had withdrawn from Gaza's land, after they had flattened it one more time, why, who knows. But when they arrived at their horse, and just wanted to take it back home, Israeli soldiers fired a shell at them, and Sharaf Raafat Shada, 19, was hit by a piece of shrapnel in the chest. Amjad, the oldest, tried to pull him away, to lay him on the cart to somehow take him to the hospital, but Sharaf was too heavy for him. So Amjad made the decision to try to reach Bait Hanoun in order to get help. He hadn’t gone far when a shell directly hit him into his belly, leaving a wound so large that he bled to death within minutes. The young boys broke out in panic and ran off to get to safety. Ambulances and people living nearby arrived to try to rescue the boys, waving white flags, but that didn’t stop the shooting. It took a long time until they managed to reach them.

Ismael Abd Elqader ElZaaneen, 16 years old, is now in hospital in Bait Hanoun, with bandages on nearly every part of his body. "We ran in all directions, but they fired about ten artillery shells at us. I got shrapnel deep in my back and smaller pieces all over my body. But I kept running nevertheless, until I got to the main road from Bait Hanoun." Even the injured Sharaf somehow managed to reach refuge at the main street without being hit by the shelling again. The eleven-year old Abdel Qader

Oday Elzaaneeen was slightly injured by shrapnel to his cheek. He was standing in the hospital and crying, visibly in shock, his cousin is dead, and his brothers are injured severely. "I have no idea why the Israelis have done this," he says quietly. He is too young to stand here and cry, he is too young to run for his life between shells, he is too young to have lost his cousin today. And Amjad was too young to die today, by a grenade that has torn his stomach apart. As his mother heard what happened, she collapsed in the hospital. And even as she regained her consciousness, she remained lying down silently, her eyes closed. How can the world be still there if her son is no more.

The uncle of Sharaf, who is standing next to his bed, said: "The Israelis are committing crimes every day here. None of us civilians can enter his fields anymore. The brutality is escalating dramatically in recent times, farmers, shepherds, stones collectors, we are all murdered. They don’t have mercy on anyone, neither for the elderly, nor for children. People out there must begin to help us, because every day, every week and every month we have to mourn new injuries and deaths. Since 1948, we are suffering and it’s getting worse and worse. We don’t get support from anyone. But we need help. All Palestinians are potential targets. All of us. No one is excluded, no one is safe."

Each of the relatives, waiting in the hospital, could be the next victim. As a farmer on the field, as a shepherd, while collecting stones. Today Amjad ElZaaneen was the next name on the list of innocent deaths, of senseless killings. On the long list in all of our laptops, in all of our consciences.

Vera Macht lives and works in Gaza since April 2010. She is a peace activist and reports about people´s daily struggle in Gaza (Vera.Macht@uni-jena.de)